Ghosting - Wenn nichts mehr kommt...

 Seit Stunden schon starre ich in regelmäßigen Abständen immer wieder auf mein Handy. Nicht ohne Grund, denn ich warte sehnlichst auf eine Nachricht. Nicht nur auf irgendeine, auf DIE eine. Und mit jeder Stunde, ja mit jeder mit jeder Minute die vergeht, werde ich innerlich unruhiger. Und ich realisiere immer mehr, dass da wohl nichts mehr kommt. 

 

 

Stattdessen kommen in mir heftige Emotionen hoch. Enttäuschung, Trauer, Wut, Angst, meist alles zur gleichen Zeit. Doch am schlimmsten ist die Ohnmacht, die einen überkommt, das Gefühl hilflos und ausgeliefert zu sein, gegenüber der anderen Person. Es ist, als ob ich nach einem kurzen Höhenflug mit der doppelten Geschwindigkeit wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werde, das Aufprallen auf dessen ist schmerzlich und grausam. Ich frage mich, warum diese, ja gerade diese Person, in die ich alle glücklichen Gefühle und alle Hoffnungen hineinprojiziert habe, nach kurzer Zeit so grausam zu mir sein kann. Gerade noch, ja es ist nur ein paar Tage her, war noch alles schön, alles lief darauf hinaus vielversprechend zu werden, ich erlebte die schönsten Stunden mit der Person in Zweisamkeit. Und nun, nun ist alles anders. Ohne irgendeinen Zusammenhang. Und dann kommen die Fragen auf: Warum? Warum gerade ich? Was habe ich falsch gemacht? An welchen Punkt sind die Stimmungen bei der anderen Person gekippt? Und warum habe ich nichts davon mitbekommen? Ich versuche nicht sauer zu sein, ich versuche es zu verstehen, mich in die andere Person hineinzuversetzen. Habe ich etwa zu früh meine Bedürfnisse gezeigt? Gab es ein Wort oder einen Satz, welcher falsch aufgefasst wurde? Und habe ich mich daraufhin unattraktiv gemacht? Nein, das glaube ich einfach nicht. Da muss doch mehr dahinterstecken. Vielleicht ist es mangelndes Interesse? Aber als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war doch noch alles gut und seine Aufmerksamkeit war vollkommen bei mir. Auch die letzte Nachricht war noch positiv. Wie es mir geht und was ich so mache. Aber eine Antwort auf die Frage, wann wir uns das nächste Mal wiedersehen kam nicht mehr. Ich lese die letzten Nachrichten immer und immer wieder. Ja ich gehe den ganzen Chat sorgfältig durch, durchforste ihn nach den kleinsten Anzeichen. Aber da gibt es keine. Oder etwa doch? Doch, da hat mir die andere Person erst viel später geschrieben! Fing es da schon an? Wie konnte ich das übersehen? Schmerzliche Erinnerungen an Liebschaften aus der Vergangenheit kommen wieder hoch, die unangenehmen Gefühle, die plötzlich präsent sind, die sind mir nicht unbekannt. Als ich mich das letzte Mal richtig verliebt hatte, da ging das auch schon nicht gut aus. Auch da wurde der Kontakt allmählich weniger und irgendwann kam gar nichts mehr. Und was war damals der Grund? So richtig weiß ich es nicht mehr. Irgendwas mit „Ich bin noch nicht bereit, mich wieder auf etwas neues einzulassen“ oder so. Auf wiederholtes Nachhaken, nachdem ich mich bemüht habe, den Kontakt mit der Person aufrecht zu erhalten kam mir diese lieblose Antwort entgegen. Hat natürlich überhaupt nichts mit mir zu tun. Von wegen. Ich gerate tiefer und tiefer ins Grübeln, denke über jede Beziehung, die ich hatte nach, wie ging es damals aus, wann wurde nichts mehr geschrieben und wann der Zeitpunkt war, an dem endgültig alles vorbei war?  Das zog sich oft wochen- oder sogar monatelang hin. Ich habe einfach nie lockergelassen. Hatte immer noch ein wenig Hoffnung gehabt. Im Nachhinein scheint es so lächerlich, ich hätte schon viel eher die Reißleine ziehen sollen, Schluss machen, mit der Situation, mit dem Menschen, der mich doch wohl offensichtlich nicht will. Doch ich habe alles ignoriert, jedes Zeichen, jede Bemerkung und guten Rat meiner Freunde, weil ich dachte, dieses Mal würde es anders laufen. Aber es ist ein Teufelskreis. Ein ewiger, nie endender Teufelskreis. Einer meist ohne Antworten. Was mache ich nun? Es ist so unbefriedigend. Ich bin hin und her gerissen zwischen „Lass es, schreibe nicht mehr und finde deinen Frieden damit“ und „Ich möchte diese Person so gerne zur Rechenschaft ziehen“. Ja, ich möchte dich, du der mir das antut, anprangern und dir ins Gesicht schreien, was du dir dabei denkst, wenn du mich ignorierst. Ich möchte dich fragen, ob du Freude dabei empfindest, wenn du die Zügel in der Hand hat und deine Machtposition ausnutzt. Ob du dir dessen überhaupt bewusst bist. Wenn du mich diesem Leid aussetzt. Dieser Grausamkeit. Nur ein wahrer Sadist würde so etwas mit anderen Menschen machen! Oder ein Psychopath. Aber nein, ich denke nichts von dem bist Du. Wie könntest du auch nur? Du bist kein schlechter Mensch, du bist liebevoll oder zumindest warst du es das letzte Mal noch zu mir. Ich weiß, dass du für deine Gefühle nichts kannst. Du bist letztendlich auch nur deinen Emotionen und deinen Ängsten ausgesetzt, vielleicht empfindest du ähnliche Gefühle oder du hast zumindest schon einmal so empfunden wie ich. Und ich weiß, dass du weißt, dass es schmerzt. Aber trotzdem handelst du falsch. Dein ekelhaftes Verhalten verletzt mich, ja es gräbt tiefe Wunden in meine Seele. Nein, du bist kein schlechter Mensch, aber dein Verhalten ist schlecht. Denn durch dein Verhalten kommen die Gefühle wieder in mir hoch, die mir sagen, dass ich nichts wert bin. Dass ich nicht geliebt werden kann. Und dass niemals jemand wahre Emotionen für mich haben wird. Auch wenn dieses Gefühl nicht der Wahrheit entspricht, bestätigt es sich doch jedes Mal aufs Neue, wenn mit dieser schrecklichen Ablehnung konfrontiert werde. Und ich weiß, dass ich keine Antwort mehr auf meine Fragen bekomme. Es ist nur ein kleiner Ausschnitt in meinem Leben. Wir kannten uns ja nur ein paar Wochen. Ja, es ist vielleicht nur ein winziger Teil in meinem Leben, indem du eine Rolle spielst. Und doch hinterlässt du ein Schlachtfeld der negativen Emotionen in mir. Verinnerlichst jenen Glaubenssatz, der mir sagt, dass ich nicht genug bin um geliebt zu werden. Du hast Wunden in meine Seele geritzt, die tiefe Furchen hinterlassen. Und sie werden jedes Mal wieder aufspringen, wenn ich mich wieder verliebe. Na dann auf ein Neues. Irgendwann. Wenn ich jemals dazu wieder in der Lage sein werde.

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