Weiblichkeit und Borderline


Die Frau hat in der heutigen Zeit einem hohen Bild zu entsprechen. Mutter, Karrierefrau, Ehefrau, Geliebte, Bitch, Mädchen, Unschuldige. Am besten alles in einem.



In der heutigen Zeit muss frau wissen was sie will. Frau hat alle Möglichkeiten. Die Karriereleiter ist hoch, frau kann fast bis in den Himmel klettern. Trotzdem sollte frau aber möglichst zeitig Kinder auf die Welt bringen, auf keinen Fall nur eins, aber wehe, wenn es mehr als drei sind. Sich Zeit zu lassen, das ist mit über 25 etwas komisch, denn spätestens ab 30 tickt die innere biologische Uhr so laut, dass es kaum für jemanden zu überhören ist. Wenn frau sich schon mit achtzehn entscheidet, Leben auf die Welt zu bringen, ist das auf jeden Fall zu früh, denn in diesem Alter kennt sie sich doch selbst noch nicht so genau. Frau ist doch noch fast ein Kind. Erstmal einen Beruf ergreifen. Eine Weltreise machen. Sich sexuell ausleben, aber bloß nicht zu viele Männer, denn dann ist frau eine Schlampe. Stimmungsschwankungen sind uncool. Zickig sein, das heißt, seine Tage zu haben. Periodenblut ist unrein und niemand darf es sehen. Die Gesellschaft möchte sehen, dass frau funktioniert. Die Familie wünscht sich Enkelkinder, damit die nächste Generation gesichert ist. Doch was, wenn sich frau dazu entscheidet, keine Kinder in die Welt zu setzen, weil sie damit zu überfordert ist? Sollte frau Leben in die Welt setzen, wenn sie weiß, dass sie psychisch nicht stabil ist? Handelt sie dann fahrlässig? Es sind immer zwei, die sich dazu entscheiden, ein Kind zu bekommen, aber oftmals ist der Mann selbst nicht schlüssig, ob er die spätere und hohe Verantwortung übernehmen möchte. Es zu bekommen oder abzutreiben, das bleibt vorerst die Entscheidung der Frau. Wenn sie das Kind nicht auf die Welt bringen möchte, sei es, weil sie keine Verantwortung für ein anderes Lebewesen übernehmen möchte oder ihren Körper nicht für die Entstehung eines neuen Lebens verleihen will, dann ist sie eine Mörderin. Sie wird von der Gesellschaft für ihre eigene Entscheidung verurteilt. Dass der Mann dafür verantwortlich war, das Leben in ihr entsteht, wird ignoriert. Denn der Mann muss dieses Leben nicht in sich reifen lassen und austragen. Wenn der Mann nicht der feste Lebenspartner des Kindes ist, welches in dem Körper der Frau heranreift, dann ist sie eine Schlampe, die es mit jedem treibt. Es könnte ja jeder sein. Obwohl doch gerade noch vor wenigen Jahren für die sexuelle Befreiung gekämpft wurde. Doch nun hat sich die Frau noch ein anderes Recht erkämpft. Das Recht auf Arbeit. Einer Arbeit nachzugehen, die sie selbst bestimmt. Das darf sie allerdings nur, wenn sie zeitgleich ihrer Mutterrolle gerecht wird und dem Mann nicht den Chefsessel klaut, denn das ist die Erwartung der Gesellschaft. Sie soll das Gleiche wie ein Mann leisten, wenn es geht sogar noch mehr, aber derselbe Lohn, das würde dem Mann seine Würde rauben. Des Weiteren ist die Frau für die sexuelle Fantasie des Mannes zuständig. So schnell wie möglich geil und sexuell stimuliert werden, ordentlich abspritzen zu können, dafür ist die Frau zuständig. Der nächste plastische Chirurg steht schon für die Brustvergrößerung und Schamlippenverkleinerung bereit. Denn erst wenn frau äußerlich perfekt ist, kann Mann stimuliert werden. Pornos zeigen, dass Frau in jeder Situation bereit ist, jeden in sich reinzulassen, sogar wenn sie kein Geld mehr hat, um das Taxi zu bezahlen. Doch wer möchte eine Frau zur Ehefrau nehmen, die jeden in sich reingelassen hat? Wäre es nicht besser, wenn sie zu der Zeit der Hochzeit noch eine Jungfrau ist, damit sie keine Ansprüche an den späteren Sex hat und keine Vergleiche ziehen kann? Die Werte der heutigen Zeit stehen im Konflikt mit der veralteten Erwartungshaltung, die an die Frau herangetragen wird. Jahrhunderte, Jahrtausende lang war die Frau die Untertanin des Mannes, die zu funktionieren hatte und dem Mann ein Essen und glückliche Kinder bescherte. Dieses Bild wird auch noch die nächsten hundert Jahre in den Köpfen der Menschheit bestehen bleiben.  Das männliche Patriachat ist noch lange nicht überstanden.
Das alles sind Ansprüche mit der Frau in der heutigen Zeit zu kämpfen hat. Wäre das nicht alles nicht schon genug, was wäre, wenn neben diesen Ansprüchen eine psychische Erkrankung dazu kommt? Eine Persönlichkeitsstörung, welche frau unberechenbar erscheinen lässt. Die Stimmungsschwankungen der Hormone gepaart mit den Stimmungsschwankungen der Psyche. Die Frau wird zu einer tickenden Zeitbombe, mit der die Gesellschaft nicht umgehen kann. Die Zündschnur ist kurz und die Bombe droht jederzeit zu explodieren. Eine Explosion der Gefühle ist nun unaufhaltbar, die sich durch Selbstverletzung, Aggressivität und Gefahr für sich und andere bemerkbar macht. Eine aggressive Frau ist für die Gesellschaft gefährlich. Eine Frau hat nicht aggressiv zu sein. Eine Frau muss immer sanft und zurückhaltend sein. Selbstverletzung möchte niemand sehen. Narben sind auf einer schönen jungen Haut hässlich, starkes Übergewicht ekelhaft und widerlich, ebenso wie Magersucht. Eine Frau mit Borderline ist eine Gefahr für andere, für ihre Kinder, für ihr Umfeld. Denn niemand weiß, wann der nächste Gefühlsausbruch kommt. Eine Frau sollte zwar emotional sein, aber dennoch ihre Gefühle unter Kontrolle haben. Denn ansonsten kann sie nicht funktionieren. Arbeit, Familie, Beziehung, Freundschaften, Privatleben müssen alle in Harmonie zu einander stehen und allen sollte man gerecht werden. Doch dies ist gerade mit einer ernsthaften psychischen Erkrankung nur sehr schwer zu vereinbaren. Die Zeit, die frau für sich braucht, muss mindestens doppelt so lang sein, um wieder neue Kräfte zu entwickeln. Kinder und Arbeit können eine enorme Belastung für die eigene Person darstellen. Die Beziehungen und Freundschaften können aufgrund unklarer und heftiger Gefühlsausbrüche nur von kurzer Dauer sein. Dies führt oftmals zu Vereinsamung und Selbsthass. Was können wir tun gegen diese heutige Wertvorstellung und für die Verheilung der seelischen Wunden der Frau? Psychische Krankheiten passen nicht in das heile Weltbild der heutigen Zeit und dennoch produziert die Gesellschaft eine ganze Borderline Generation. Wir leben in einer Zeit der ständigen Doppelmoral, die den weltoffenen Schein der Toleranz und Akzeptanz wahren will, aber dennoch Menschen, die aus der Reihe fallen, vorschnell verurteilt. Als erstes: Seid nicht so streng mit euch selbst und erst recht nicht zu euren Mitmenschen. Es sind Menschen und Menschen machen Fehler. Verzeihen und Mitgefühl sollten die obersten Prioritäten werden. Zweitens: Den Filter durch den wir heutzutage sehen, ausschalten und der wahren ungeschönten Realität ins Auge sehen. Wir alle müssen durch die Realität, durch Trauer, Scham, Schuld, Wut und Aggressionen. Keiner ist davor gewahrt. Keiner führt dieses Leben was uns auf instagram und youtube suggeriert wird. Jeder sitzt mal alleine zuhause und fühlt sich depressiv und einsam. Aber erst, wenn wir das anderen zeigen und nicht nur unser geschminktes Gesicht, dann kommen wir uns einander näher, trauen uns Dinge anzusprechen und entwickeln Mitgefühl füreinander.Und so könnte Frau neuen Mut fassen, ihren eigenen ausgewählten Weg zu gehen und in der Mitte der Gesellschaft zu einer wahren Schönheit aufblühen, von der wir alle profitieren.

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