Wie alles begann... Teil 1
Dieser Eintrag wird ein etwas anderer als die
anderen. Es handelt sich dieses Mal um meine eigene persönliche Geschichte und
wie alles begann…
Achtung: TRIGGERWARNUNG! Ich schreibe hier offen
über Suizidgedanken und Selbstverletzung, wenn du psychisch nicht stabil bist,
würde ich dir nicht empfehlen, diesen Beitrag zu lesen.
Fangen wir von vorne an. Die Diagnose der Borderline
Persönlichkeitsstörung habe ich seit gut vier Jahren. Aber es fing schon Jahre
vorher an, dass ich bemerkte, dass etwas nicht so ganz stimmte mit mir. Um ein
komplettes Bild davon zu bekommen, müsste ich jetzt sehr weit ausholen, was ich
nicht unbedingt möchte, ich möchte mich lieber auf das Jahr 2015 fokussieren,
denn das Jahr war einschneidend für mich unter anderem, weil ich damals einen
ersten Verdacht hegte, dass es sich bei mir um Borderline handeln könnte. Ich
war damals mit meinem damaligen Freund zusammen. Im Nachhinein kann ich sagen,
dass dies eine toxische Beziehung war, denn wir haben uns beide einander nicht
gutgetan und im Endeffekt waren wir zusammen, weil keiner von uns alleine sein
wollte. Mir ist später auch bewusst geworden, dass es sich bei meinem Exfreund
ebenfalls um Borderline oder zumindest um eine andere Persönlichkeitsstörung handeln
könnte, ich bin keine Medizinerin und möchte keine falschen Diagnosen
aufstellen, aber dies würde einige Verhaltensweisen erklären und zwei Menschen
mit Borderline in einer Beziehung ist nun einmal Gift für beide und kann früher
oder später nicht gut ausgehen. In dieser Beziehung kam ich das erste Mal so
richtig mit dem Thema Suizid in Berührung. Schon am Anfang erzählte mein
Exfreund von seinem damaligen Vorhaben. „Ich wollte mir im letzten Jahr das
Leben nehmen“, sagte er relativ offen zu mir und berichtete, dass er sich schon
die passenden Medikamente besorgt hatte, um seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Nur ein Urlaub nach Sardinien, von dem er spontan von seinem reichen Onkel
eingeladen wurde, hat ihn davon abgehalten. „Danach habe ich wieder einen Sinn
im Leben gesehen“, fuhr er fort. „Das Leben war wieder schön, ich konnte es
wieder genießen.“ Jedenfalls eine Weile lang. Es gibt kein schöneres Gefühl,
als das, wenn man aus einem erlebnisreichen und schönen Urlaub wieder in den
Alltag zurückkehrt, man ist noch in Gedanken bei der Natur, dem Essen und den
Menschen mit denen man den Urlaub verbracht hat. Aber leider geht auch das
Gefühl irgendwann wieder vorbei. Mein damaliger Freund hat Jura studiert und
war ein Perfektionist. Den kleinen Bauch den er hatte, und den ich süß fand,
empfand er als schrecklich. „Ich bin echt fett geworden, ich muss wieder etwas
für meine Figur tun“, meinte er und fügte noch hinzu: „Und dir würde auch etwas
Sport guttun.“ Und so joggten wir los und ich fühlte mich schlecht, da ich
nicht so schnell war und keine gute Ausdauer wie er hatte und mich ebenfalls
als zu fett empfand. Ich merkte, wie ich begann, seine Launen komplett auf
meine Gefühlslage zu übertragen. Als wir eines morgens am Frühstückstisch
saßen, sah er mich mit so einem feindseligen Blick an, den ich als absolute
Erniedrigung empfand. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich sofort tot
umgefallen. Später merkte ich erst, dass auch mir solche Blicke nachgesagt
wurden, und dass ich eine Menge Menschen hätte töten können, wäre dieser Spruch
wahr.
Nun soll es sich nicht ausschließlich um meinen
Exfreund handeln, er ist nur ein Teil der Geschichte, aber ein sehr wichtiger. Diese
Beziehung war kurz und doch sehr geprägt von heftigen Gefühlsschwankungen, dem
Gefühl nicht ausreichend geliebt zu werden, Abwertung und der Einsicht, dass
der andere einen nicht retten kann. „Du bist nicht der lustige und lebensfrohe
Mensch, den ich von damals kenne, den ich erwartet habe“, sagte mein Exfreund
einmal zu mir. „Du auch nicht“, antwortete ich nur. Und damit war klar, jeder
hatte sich von dem anderen erhofft, dass das Leben mit der Beziehung besser
wird. Aber so ist es nicht. Diese Einsicht kam aber auch lange nach dieser
Beziehung noch nicht bei mir, und manchmal weiß ich noch nicht einmal ob diese
Ansicht komplett verschwunden ist, auch nachdem ich reifer geworden bin und
einige Erfahrungen gesammelt habe. Diese Vorstellung, dass ein Mensch in das
Leben kommt und plötzlich alles anders ist, wird nun einmal in dieser
Gesellschaft suggeriert und viele Menschen verlassen sich darauf. Ich hatte
nach dieser Beziehung nicht wirklich mehr eine feste Beziehung, bis auf eine
kurze Ausnahme. Viel mehr folgten darauf viele unglückliche Versuche eine
Beziehung zu führen, einmalige oder etwas länger andauernde sexuelle Erlebnisse
und dazu sehr viel Liebeskummer, wenn ein anderer meine Gefühle nicht anerkannt
oder ignoriert hat. Liebeskummer ist ein eindeutiges Stichwort bei mir, denn
dieser war auschlaggebend, mich in später in psychiatrische Behandlung zu
begeben. Dieser Kummer hat starke Gefühle von Verlustangst, Einsamkeit und
Selbsthass in mir ausgelöst, dass Gedanken über einen möglichen Suizid und das
Verlangen nach Selbstverletzung in meinem Kopf immer lauter wurden. Aber dazu
später mehr.
Ein weiteres Ereignis, welches sich im Jahr 2015
abspielte war, dass ich von meinen Eltern auszog. Dies war eine enorme
Erleichterung für mich, da es sehr viel Streit zwischen meinen Eltern und mir
gab. Ich war unendlich froh, weg von meinen Eltern ein eigenes Leben führen zu
können, selbstständig zu sein wie ich schon immer wollte. Auch wenn ich ein
Auszug aus dem Elternhaus mit 19 Jahren zwar noch etwas früh fand, nichts
sollte meiner neugewonnen Freiheit mehr im Wege stehen. Dabei handelte es sich
nicht um eine erste eigene Wohnung, sondern um ein Wohnheim für Studierende und
Auszubildende. Für mich war das das reinste Paradies. Ich wohnte nicht mehr bei
meinen Eltern, zwar noch in Berlin, aber weit genug weg, und war zugleich unter
Menschen, unter Gleichgesinnten. Das erste halbe Jahr war eine gute Zeit, ich
habe viele neue Menschen kennengelernt und so etwas wie Gemeinschaft erlebt.
Ich war unglaublich glücklich darüber. Und dennoch, war es nicht ganz so super,
wie es sein sollte. Auch in dieser Gemeinschaft merkte ich, dass ich mich
trotzdem sehr einsam fühlte. Es war eine Wohngemeinschaft, in der fünfzehn
Menschen lebten, trotz dessen traf man am Abend im gemeinschaftlichen
Wohnzimmer fast niemanden an, die Mahlzeiten nahm jeder für sich in seinem
Zimmer ein, anstatt gemeinsam zu kochen. Natürlich hat jeder noch ein eigenes
Leben, aber man lebte doch zusammen unter einem Dach. Manchmal war es abends so
ruhig in der WG, ich wusste nicht, ob eine Menschenseele da war. Trotzdem hatte
ich ein paar Menschen gefunden, mit denen ich ab und zu etwas zusammen machte,
wir guckten zusammen fern oder hatten interessante Gespräche in der Küche, ab
und zu ging man auch gemeinsam einkaufen oder trank abends im Zimmer ein Bier
zusammen. Doch nach und nach gingen die Leute und dafür kamen neue Menschen in
die WG, alles fühlte sich wieder neu und so fremd an, obwohl ich doch schon
lange dort wohnte. Ich spürte bald, das ist kein richtiges Zuhause für mich.
Aber es war zu dem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit für mich günstig zu
wohnen, abgesehen von meinen Eltern und dorthin wollte ich ungern zurück.
Zudem hatte ich zur gleichen Zeit einen
unglaublichen Liebeskummer. Ich hatte mich verliebt, in einen jungen Mann, ich
bekam ihn einfach nicht aus meinem Kopf. Für mich war er perfekt, ein
Seelenverwandter, dieses Wort benutzte ich zu dieser Zeit gern. In meiner
Fantasie waren wir schon längst zusammen. Es kam zu einem Date, doch bei dem
blieb es dann auch. Als ich versuchte mich ein weiteres Mal mit ihm zu
verabreden, kam lange keine Reaktion und dann ein „Naja, ich weiß nicht
wirklich…“. Auch heutzutage erlebe ich diese Situation immer wieder, dass nach
einem erfolgreichen Date nichts mehr wirklich folgt und auf Nachfragen keine
wirkliche Gegenreaktion kommt. Heute kann ich solche Erlebnisse unter einem
netten Abend oder einer netten Begegnung verbuchen, damit abschließen und mir
jemanden neuen suchen, aber zu dem damaligen Zeitpunkt war diese Reaktion eine
einzige Katastrophe für mich. Für mich war dieser Mensch schon gefühlt meine
halbe Welt, die Zukunft mit ihm in meiner Fantasie war so perfekt, dass ich mich
mit dieser halbherzigen Absage nicht zufriedengab. Ich schrieb ihn in
regelmäßigen Abständen an, checkte jeden Tag sein Profil auf Facebook und
dachte einfach Tag und Nacht an ihn. Ich konnte mit dieser Situation nicht
umgehen, dass jemand, der für mich der perfekte Mensch war, nichts von mir
wollte, ja es nicht einmal zu versuchen schien. In mir baute sich ein immer
weiterer Druck auf, den ich nicht standhalten konnte. Ich sah keinen anderen
Ausweg mehr, als meine aufgestaute Wut und Traurigkeit an mir
selbstauszulassen. Ich begann mich mit einem Messer in meinen linken Unterarm
zu schneiden. Es war nicht das erste Mal, dass ich das machte, das erste Mal
saß ich noch in meinem alten Kinderzimmer und versuchte mir mit einer
Bastelschere meine Arme aufzuritzen. Meine Mutter erwischte mich einmal dabei,
nachdem wir einen Streit hatten, und sie war furchtbar wütend darüber.
Soweit bis dahin. Teil 2 meiner Geschichte folgt...
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